Politische Ermächtigung

Politische Ermächtigung


Bei Verdacht auf ein politisches Delikt dürfen Strafverfolgungsbehörden nur dann ermitteln, wenn sie grünes Licht vom Bundesrat haben. In der Regel erlaubt der Bundesrat die Ermittlungen. Nur in Ausnahmefällen verweigert er seine Zustimmung, wenn es darum geht, die überwiegenden Interessen des Landes zu schützen. Der Bundesrat entscheidet damit aber nicht, ob jemand tatsächlich ein politisches Delikt begangen hat oder nicht. Das ist immer Sache der Strafverfolgungsbehörden.

Was ist eine politische Ermächtigung?

Für die Verfolgung politischer Straftaten benötigen die Strafverfolgungsbehörden die Erlaubnis des Bundesrats – eine so genannte Ermächtigung. In den allermeisten Fällen erteilt der Bundesrat die Ermächtigung. Ausnahmsweise verweigern kann er sie einzig zum Schutz der Interessen des Landes. Das politische Interesse muss schwerer wiegen als das öffentliche Interesse an einer Strafverfolgung. Damit wird in Ausnahmefällen der Grundsatz der Gewaltenteilung durchbrochen. Grundlage dafür sind Art. 302 des Strafgesetzbuchs (StGB) und Artikel 66 des Strafbehördenorganisationsgesetzes (StBOG).

Beispiel: Am 28. April 2021 hat der Bundesrat die Ermächtigung zur Strafverfolgung gegen Alt Bundesrat Moritz Leuenberger verweigert. Leuenberger hatte sich in einem Interview zur Praxis der Schweiz bei Lösegeldzahlungen in Entführungsfällen geäussert und damit möglicherweise eine Amtsgeheimnisverletzung begangen. Der Bundesrat untersagte jedoch ein Strafverfahren, um zu verhindern, dass Informationen zu seiner Strategie in Entführungsfällen publik werden konnten. Die Publikation solcher Informationen hätte die Zusammenarbeit mit anderen Ländern in Zukunft stark erschwert. Indem der Bundesrat die Ermächtigung verweigerte, schützte er die überwiegenden Interessen des Landes. Er beurteilte damit aber nicht, ob Leuenberger eine Amtsgeheimnisverletzung begangen hatte oder nicht. Diese Frage bleibt ungeklärt.

Was bedeutet die Erteilung oder Verweigerung der Ermächtigung?

Der Bundesrat beurteilt in keinem Fall, ob eine Handlung strafbar ist oder nicht. Erteilt er eine Ermächtigung, darf die Strafverfolgungsbehörde das Strafverfahren einleiten und weiterhin unabhängig ermitteln. Verweigert er die Ermächtigung, darf sie ihrem Verdacht nicht weiter nachgehen.

Wer entscheidet konkret über die Ermächtigung?

Den Entscheid über Verweigerung oder Erteilung einer Ermächtigung hat der Bundesrat an das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement (EJPD) delegiert. In Fällen, welche die Beziehungen zum Ausland betreffen, entscheidet das EJPD nach Rücksprache mit dem EDA. Fälle von besonderer Bedeutung kann es dem Bundesrat vorlegen.

In welchen Fällen braucht es eine politische Ermächtigung?

Das Strafgesetzbuch legt fest, dass es zur Verfolgung von Straftaten des 16. Titels eine Ermächtigung durch den Bundesrat braucht. Diese Delikte betreffen die Störung der Beziehungen zum Ausland. Als politische Delikte gelten auch andere Straftaten, selbst wenn sie im Gesetz nicht ausdrücklich als solche bezeichnet sind. Es kommt darauf an, ob im konkreten Fall die Interessen des Landes betroffen sein könnten. Das kann insbesondere der Fall sein bei den Delikten des 13. Titels des StGB (Verbrechen und Vergehen gegen den Staat und die Landesverteidigung).

Je nach Zusammenhang kann eine Straftat ein politisches Delikt darstellen oder auch nicht. Als die Bundesanwaltschaft 2020 im Fall Crypto Verstösse gegen das Güterkontrollgesetz untersuchen wollte, holte sie wegen der politischen Dimension eine Ermächtigung des Bundesrats ein. In der Regel stellen die Straftatbestände dieses Gesetzes jedoch keine politischen Delikte dar.

Die häufigsten Delikte

  • Art. 185 StGB: Geiselnahme zur Nötigung von ausländischen Behörden
  • Art. 270 StGB: Tätliche Angriffe auf schweizerische Hoheitszeichen
  • Art. 271 StGB: Verbotene Handlungen für einen fremden Staat (Umgehung des förmlichen Rechtshilfewegs)
  • Art. 272 StGB: Politischer Nachrichtendienst
  • Art. 273 StGB: Wirtschaftlicher Nachrichtendienst
  • Art. 277 StGB: Marschbefehl-Verfälschung (Bagatellfall)
  • Art. 296 StGB: Beleidigung eines fremden Staates
  • Art. 298 StGB: Tätliche Angriffe auf fremde Hoheitszeichen

Statistik Ermächtigungsverfahren 2011-2021

  Gesuche Davon Bagatell-fälle Erteilung Verweigerung EJPD Bundesrat Konsultation EDA
2011 6 2 6 0 5 1 2
2012 9 2 7 2 9 0 5
2013 9 1 9 0 8 1 4
2014 7 1 6 1 7 0 6
2015 11 4 11 0 10 1 4
2016 9 2 9 0 9 0 4
2017 10 1 10 0 10 0 2
2018 9 2 9 0 9 0 4
2019 6 2 5 1 6 0 4
2020 6 2 5 1 6 0 4
2021 12 3 10.5 1.5 11 1 4

Letzte Änderung 18.11.2022

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