"Die Umstände, unter denen der Staatsbesuch im vergangenen November abgesagt wurde, zeigen es: Dieser Weg kann schwierig und hürdenreich sein. Doch Tunesien ist aufgrund seiner demokratischen Entwicklung eine Quelle der Hoffnung", erklärte Bundespräsident Schneider-Ammann: "Wir betonen den grossen Respekt, den die Schweiz Tunesien entgegenbringt." Der Besuch von Präsident Béji Caïd Essebsi sei eine Chance, um die Beziehungen zwischen Tunesien und der Schweiz weiter zu stärken.
An den offiziellen Gesprächen nahmen auf tunesischer Seite – neben Präsident Béji Caïd Essebsi – teil: Aussenminister Khemaies Jhinaoui und Yassine Brahim, Minister für Entwicklung, Investitionen und internationale Zusammenarbeit. Die Schweiz vertraten – neben Bundespräsident Schneider-Ammann – Bundesrat Didier Burkhalter, Vorsteher des Eidgenössischen Departements für auswärtige Angelegenheiten (EDA) und Bundesrätin Simonetta Sommaruga, Vorsteherin des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartements (EJPD). Die Delegationen besprachen, wo beide Länder noch enger kooperieren möchten.
Schweiz unterstützt Demokratisierung Tunesiens
Ein zentrales Thema war die demokratische Transition Tunesiens und das Engagement der Schweiz für Menschenrechte, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit in Nordafrika. Im Rahmen der bilateralen Zusammenarbeit unterstützte die Schweiz die Reformen in Tunesien von 2011 bis Ende 2015 mit insgesamt rund 80 Millionen Franken.
Die Schweiz sicherte zu, den demokratischen Prozess weiter zu unterstützen und unter anderem die tunesischen Lokalwahlen 2016 zu begleiten. Gemäss der schweizerischen Kooperationsstrategie für Nordafrika ist Tunesien ein Partnerland. Ein wichtiges Ziel ist es, für die ärmeren Teile des Landes und für die tunesische Jugend Perspektiven zu entwickeln.
Wirtschaft, Migration, Gewaltprävention
Die Delegationen besprachen als weiteres zentrales Thema die Wirtschaftsbeziehungen, die sich in den letzten Jahren stetig verdichtet und intensiviert haben. Der Bundesrat begrüsst die umfassenden Wirtschaftsreformen, die die tunesische Regierung anstrebt; Fortschritte bei der Verbesserung der Rahmenbedingungen für Unternehmen stellen das beste Signal dar, um neue Investitionen anzuziehen und die Wirtschaft zu dynamisieren.
Die Migrationspartnerschaft zwischen der Schweiz und Tunesien, die seit 2012 existiert, wird von beiden Seiten als exzellent beurteilt. Ausgebaut werden soll im Rahmen dieser Partnerschaft der Austausch junger Berufsleute.
Mit Blick auf die terroristischen Anschläge sowohl in Tunesien und anderen Teilen der arabischen Welt als auch in Europa unterhielten sich die Delegationen vertieft über die Konflikte in Libyen und in Syrien sowie über die internationale Zusammenarbeit bei der Bekämpfung des Terrorismus. Beide Seiten zeigten sich interessiert daran, einen strategischen Dialog über die Prävention von gewaltsamem Extremismus zu schaffen.
Ebenfalls Thema der Gespräche waren die in der Schweiz blockierten Guthaben des ehemaligen Präsidenten Ben Ali und seines Umfelds. Die Delegationen würdigten die gute Zusammenarbeit in dieser Frage. Bundespräsident Schneider-Ammann bekräftigte den politischen Willen der Schweiz, unter Berücksichtigung der rechtsstaatlichen Prinzipien die Guthaben aus erwiesenermassen unrechtmässiger Herkunft vollumfänglich zurückzuerstatten. Es ist in erster Linie Sache der Justizbehörden in Tunesien und in der Schweiz, die entsprechenden Straf- und Rechtshilfeverfahren zu führen. Die Schweiz hat bereits umfassende Beweismittel an Tunesien übermitteln können.
Bilaterale Dokumente unterzeichnet
Sechs bilaterale Übereinkünfte wurden am Donnerstag unterzeichnet. Es handelt sich unter anderem um eine Verständigung über bilaterale politische Konsultationen sowie um Absichtserklärungen zur vertieften Zusammenarbeit im Bereich von höherer Bildung, Forschung und Innovation und bei der Prävention von gewalttätigem Extremismus. Eine Absichtserklärung zu den blockierten Guthaben ist ein Zeichen für die erreichten Fortschritte und hat das Ziel, die Zusammenarbeit zwischen den beiden Ländern im Bereich der Rechtshilfe zu vertiefen. Sie sieht namentlich Konsultationen zu möglichen Verhandlungen über ein Rechtshilfeinstrument vor.
Den ersten Tag des Staatsbesuchs beschliesst traditionsgemäss ein Gala-Dinner in Bern. Das Programm des zweiten Tages ist in erster Linie Fragen der wirtschaftlichen Zusammenarbeit und der Berufsbildung gewidmet. So finden ein Austausch und ein Runder Tisch mit Vertretern der Wirtschaft statt. Ausserdem besichtigen der Bundespräsident und Präsident Béji Caïd Essebsi in Ostermundigen BE den Betrieb einer Firma, die über eine Tochtergesellschaft in Tunesien engagiert ist.
Letzte Änderung 18.02.2016