Der Bericht über die Integration der Ausländerinnen und Ausländer in der Schweiz und seine Folgen

Es gilt sowohl das mündliche wie das schriftliche Wort, der Redner behält sich vor, auch stark vom Manuskript abzuweichen

2. Migrationsrechtstage, 5. September 2006: Rede von Dr. Eduard Gnesa, Direktor des Bundesamts für Migration

Sehr geehrte Damen und Herren

Das Thema Integration steht heute bei allen europäischen Staaten weit oben auf der politischen Agenda. Die Lösungswege, welche in der Integrationspolitik beschritten werden, präsentieren sich aber von Land zu Land recht unterschiedlich. Der Vergleich mit anderen Ländern zeigt vor allem auch Folgendes auf: Die Art und Weise, wie eine nationale Gesellschaft auf die Zuwanderung reagiert, gibt Entscheidendes über ihre politische Kultur, über ihr gesellschaftliches Gefüge und über ihre Geschichte und Identität preis. Das heisst umgekehrt aber auch, dass die Entwicklung einer erfolgreichen Integrationspolitik bei den Realitäten und Rahmenbedingungen der Politik und Gesellschaft anzusetzen hat.

  • In den nächsten Minuten möchte ich einleitend kurz aus integrationspolitischer Sicht diese Rahmenbedingungen für die Schweiz skizzieren.
  • Zweitens möchte ich auf die Meilensteine des integrationspolitischen Konzepts des Bundes zu sprechen kommen, indem ich die konkreten Massnahmen benenne, welche in den letzten Jahren in diesem Bereich erfolgt sind.
  • Vor dem Hintergrund dieser Massnahmen werde ich drittens auf die laufenden Bemühungen im Rahmen des Bundesratsauftrags Integrationsmassnahmen vom 30. August 2007 eingehen. Dazu werde ich Ihnen die grossen Linien des Integrationsberichts des BFM vorstellen und abschliessend auch die geplanten Folgemassnahmen skizzieren.

Rahmenbedingungen der schweizerischen Integrationspolitik

Spricht man im europäischen Vergleich von Integrationspolitik und Integrationsförderung so scheint es mir von Bedeutung, sich für die Schweiz folgende Rahmenbedingungen in Erinnerung zu rufen:

  1. Die Schweiz verfügt über einen ausgeprägten Föderalismus, welcher im Integrationsbereich allen drei Ebenen (Gemeinde, Kanton, Bund) Kompetenzen zuweist. Auf jeder Ebene sind politische Entscheide jeweils auch an direktdemokratische Entscheide zurückgekoppelt.
  2. Die Schweiz weist einen der liberalsten Arbeitsmärkte der OECD auf. Die Arbeitslosigkeit ist traditionell sehr tief. Die gewerbliche Tradition ist für den Schweizer Binnenmarkt prägend. Dies kommt zum Beispiel im Bereich der Berufsbildung stark zum Ausdruck (Lehre).
  3. Geographen und Raumplanende reden von der "Metropole Schweiz": Die Mehrheit der Bevölkerung und vor allem auch der ausländischen Bevölkerung lebt innerhalb eines losen Netzwerkes von Agglomerationen im Mittelland. Dieses Netzwerk ist geprägt durch eine Organisation im Kleinen, welche als eine "Verkammerung des Sozialraumes" bezeichnet worden ist. In der Schweiz gibt es keine grossflächigen Konzentrationen von Gruppen mit gleichem Merkmal, seien dies nun Arme oder Reiche, Junge oder Alte, oder Personen mit Schweizer oder ausländischem Pass ("Ghettos"). Jede Gemeinde oder Stadt weist indes kleinere Siedlungen mit hohen Armen-, Reichen- oder Ausländerpopulationen auf.

    (Der Begriff der "Verkammerung" stammt von Diener/Herzog/Meili/ deMeuron/Schmid. Die Schweiz- ein städtebauliches Porträt. 3 Bde. 2005.)

  4. Im Vergleich zu anderen Ländern ist die relativ hohe Heterogenität der politischen Identität und Kultur auf dem kleinen Raum der Schweiz zu nennen. Unser Land kennzeichnet eine ausgeprägte Eigenständigkeit der sprachkulturellen Identitäten. Die Verfassungsnation Schweiz bildet um diese nur eine relativ lockeresymbolische Klammer.

    (Die Schweiz verfügt über keinen einheitlichen Bezugspunkt der politischen Kultur wie in Frankreich (1789). Zwei Mythen prägen den politischen Diskurs in der Schweiz. Neben dem Mythos der Volksgemeinschaft, welche historisch mit der Eidgenossenschaft von 1291 verknüpft wird, ist ebenso der republikanische Mythos von 1848 virulent, welcher einer Trennung des Staates von Gesellschaft, Wirtschaft und Kirche betont.)

  5. Als letzter Punkt: Die Schweiz hat keine koloniale Vergangenheit. Motor der Zuwanderung in der Nachkriegszeit war in erster Linie die Nachfrage nach Arbeitskräften. Schon in den sechziger Jahren wurde diese Zuwanderung durch Abkommen mit Herkunftsstaaten geregelt. Der bilaterale Weg im Verhältnis zur EU ist heute die zentrale Rahmenbedingung der Migrations- und damit auch der Integrationspolitik der Schweiz.

Elemente der schweizerischen Integrationspolitik

Die schweizerische Integrationspolitik hat sich innerhalb dieser Merkmale und Rahmenbedingungen entwickelt. Dabei ist einzuräumen, dass die Entwicklung einer breit abgestützten Politik Zeit braucht. Das Tempo der Forschritte mag denjenigen zu langsam erscheinen, welche sich nicht an die schwerfällige Gründlichkeit der konsens- und direktdemokratischen Abläufe gewöhnen können. Wie bedächtig die Gesetzesmühlen zuweilen mahlen, mag auch verdeutlichen, dass wir uns im Ausländerbereich auf ein Gesetz stützen, welches aus dem Jahre 1931 stammt. Der letzte Versuch, eine Totalrevision des Gesetzes vorzunehmen, datiert in das Jahr 1982. Heute liegt nun – ein rundes Vierteljahrhundert später – ein neues Ausländergesetz vor, über welches erneut das Volk am 24. September 2006 in einem Referendumsentscheid befinden wird. Dieser Aspekt unseres politischen Systems ist bei diesem Entscheid in Rechnung zu stellen. Doch trotz dieser Rahmenbedingungen unseres politischen Systems ist im Rückblick festzustellen, dass in den letzten Jahren im integrationspolitischen Bereich in verhältnismässig rascher Folge einige wichtige Meilensteine gesetzt worden sind. Ich möchte Ihnen anhand von diesen Meilensteinen das vieldimensionale integrationspolitische Konzept des Bundes verdeutlichen.

Verbesserung der rechtlichen Chancengleichheit

Die Schaffung von Chancengleichheit ist eine Grundvoraussetzung für erfolgreiche Integration. In dieser Hinsicht ist ein entscheidender Schritt mit dem Inkrafttreten des Personenfreizügigkeitsabkommens erfolgt. Rund die Hälfte der in der Schweiz lebenden Ausländerinnen und Ausländer ist damit auf einen Schlag – mit der Ausnahme der politischen Rechte – den Schweizerinnen und Schweizern praktisch gleichgestellt worden. Für die längerfristig anwesenden Personen aus sogenannten Drittstaaten ausserhalb des EU/EFTA-Raumes sieht nun das neue Ausländergesetz ebenfalls einige Verbesserungen vor. So werden die heute bestehenden interkantonalen Mobilitätshemmnisse gestrichen sowie die Möglichkeit geschaffen, die Niederlassung bei gelungener Integration schon nach 5 statt wie bisher nach 10 Jahren zu erwerben. Mit der Revision der Begrenzungsverordnung vom 1. April 2006 sind zudem die vorläufig aufgenommenen Personen auf dem Arbeitsmarkt weitgehend den Personen mit Aufenthaltsbewilligungen gleichgestellt worden. Die Revision des Asylgesetzes will diese Regelung auf Gesetzesstufe verankern. Zudem sieht das revidierte Asylgesetz vor, dass vorläufig Aufgenommene neu nach drei Jahren ihre Familien nachziehen können. Mit diesen Regelungen sind entscheidende Schritte zur Verbesserung der rechtlichen Rahmenbedingungen der Integration auf den Weg gebracht worden. Die parallel geplante Erleichterung der Einbürgerung für Personen der zweiten und dritten Einwanderungsgeneration ist am 26. September 2004 an der Urne gescheitert. Nach Prüfung der hängigen Fragen im Bürgerrecht ist heute festzustellen, dass es noch zu früh ist, diesen Entscheid dem Parlament und dem Volk neu aufzulegen.

Massnahmen zur sozialen Integration

Die Massnahmen im Bereich der Förderung des gesellschaftlichen Zusammenlebens und der Sprachförderung sind stark vom Föderalismus geprägt gewesen. Insbesondere städtische Gemeinden, aber auch einige Kantone haben ab den neunziger Jahren Leitbilder erstellt, Fachstellen eingerichtet und Fördermassnahmen in die Wege geleitet. Auf Bundesebene wurde ab 2001 ein Programm zur Integrationsförderung gestartet, welches jährlich mit 10 bis 14 Millionen Franken ausgestattet ist. Die Projekt gebundene Förderung des Bundes spielte in der Entwicklung der kommunalen und kantonalen Integrationsförderung eine wichtige Rolle als Innovations- und Impulsgeber (Umsetzung durch die Eidgenössische Ausländerkommission, EKA). Im Asyl- und Flüchtlingsbereich, wo der Bund direkt zuständig ist, fördert er die Integration durch eine Reihe von Massnahmen: Seit längerem finanziert er Beschäftigungsmassnahmen in den Kantonen sowie eine Projekt gestützte Integrationsförderung von 4 Millionen Franken pro Jahr (Umsetzung durch die Schweizerische Flüchtlingshilfe). Seit Beginn dieses Jahres werden nun bestehende Projekte des Asyl- und Flüchtlingsbereichs ausgebaut. Ziel ist, dass Flüchtlinge und vorläufig Aufgenommene eine Erwerbstätigkeit im ersten Arbeitsmarkt aufnehmen können (3 Mio. Fr.). Zudem sind seit dem 1. September 2006 zusammen mit Berufs- und Wirtschaftsverbänden Pilotprojekte zur beruflichen Integration von Flüchtlingen gestartet worden (1 Mio. Fr.). Das neue Ausländergesetz und die Asylgesetzesrevision konsolidieren diese bisherigen Förderungsmassnahmen des Bundes. Das revidierte Asylgesetz sieht dabei vor, die Bundesförderung weg von der Finanzierung der Sozialhilfe und hin zu einer konsequenten Förderung der Integration auszurichten. Das neue Gesetz wird es ermöglichen, den Kantonen neu Pauschalen zur Förderung der Integration von vorläufig aufgenommenen Personen auszurichten. Zudem soll die Integrationsförderung nach dem Ausländergesetz für die vorläufig Aufgenommenen geöffnet werden.

Auf der Basis dieses Rückblicks über die letzten rund fünf Jahre lässt sich feststellen: Auf Bundesebene sind wesentliche Entwicklungen in Gang gekommen – namentlich hinsichtlich der rechtlichen Chancengleichheit und der Förderung der sozialen Integration. Dies sind auch die beiden Bereiche, welche in die Kompetenz des Bundesamts für Migration bzw. des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartements fallen. Mit den dargestellten Verbesserungen im geplanten Ausländergesetz, in den Verordnungsrevisionen sowie infolge der Förderprogramme ist damit der Spielraum von EJPD und BFM zum gegenwärtigen Zeitpunkt weitgehend ausgeschöpft.

Im Bereich der Integration in die bestehenden Strukturen der Schule, der Berufsbildung, des Arbeitsmarkts oder der sozialen Sicherung besteht keine direkte Zuständigkeit des EJPD. Diese Bereiche der sogenannten strukturellen Integration liegen naturgemäss in der Kompetenz anderer Departemente und Bundesämter. Im Rahmen des föderalen Staatsaufbaus der Schweiz liegen sie oftmals auch in der Zuständigkeit der Kantone oder der Gemeinden. Diese Kompetenzaufteilung kann aus Integrationssicht ein Vorteil sein, weil damit eine Nähe zu den betroffenen Personen und den Problemen des Alltags gewährleistet wird.

Doch die föderalistischen Strukturen, die sozialräumliche "Verkammerung" des Territoriums aber auch die sprachregionalen Identitäten schaffen auch einen Bedarf, die Bemühungen der verschiedenen Ebenen und Bereiche besser zu koordinieren und im nationalen Rahmen zu harmonisieren. Mit anderen Worten: Es braucht klare Grundsätze und eine Gesamtsicht der Integrationspolitik auf nationaler Ebene.

Das neue Gesetz legt die Grundsätze der Integrationspolitik fest

Das Ausländergesetz legt nun erstmals auf Gesetzesstufe solche Grundsätze einer gesamtschweizerischen Integrationspolitik fest. In Art. 4 des AuG steht: "Das Ziel der Integrationspolitik ist das Zusammenleben auf der Grundlage der Werte der Bundesverfassung und die Teilhabe der Ausländerinnen und Ausländer am wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Leben. Dieses Ziel zu erreichen, setzt sowohl den Willen der Ausländerinnen und Ausländer, sich mit den Verhältnissen in der Schweiz auseinanderzusetzen und eine Landessprache zu erlernen, wie auch die Offenheit der schweizerischen Bevölkerung voraus."

(Art. 53 Abs. 5 AuG Die Behörden des Bundes, der Kantone und Gemeinden, die Sozialpartner, die Nichtregierungsorganisationen und Ausländerorganisationen arbeiten bei der Integration zusammen)

Erstmals wird die Integration auch als eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe im Ausländergesetz verankert und als eine Querschnittsaufgabe definiert, welche in allen Bereichen gesellschaftlichen und staatlichen Handelns zu berücksichtigen ist. Das Gesetz bestätigt damit den Grundsatz, dass die Integration der Ausländerinnen und Ausländer mit Massnahmen in den Regelstrukturen – in der Schule, in der Berufsbildung, auf dem Arbeitsmarkt, im Gesundheitswesen, etc. – zu verbessern ist. In all diesen Bereichen bestehen seit längerem Integrationsmassnahmen, welche durch die zuständigen Akteure auf kommunaler, kantonaler und nationaler Ebene getragen werden. Eine zentrale Herausforderung wird es nun sein, diese unterschiedlichen Massnahmen noch besser aufeinander abzustimmen und in einer Gesamtsicht miteinander zu verzahnen. Im neuen Ausländergesetz ist dazu vorgesehen, dass das Bundesamt für Migration mit der Koordination der verschiedenen Integrationsmassnahmen beauftragt wird.

Koordinationsauftrag ist schon auf Verordnungsstufe vorgezogen worden (VintA) 

  1.  Das Bundesamt koordiniert die Massnahmen der Bundesstellen zur Integration der Ausländerinnen und Ausländer, insbesondere in den Bereichen der Arbeitslosenversicherung, der Berufsbildung und des Gesundheitswesens.
  2. Es stellt den Informations- und Erfahrungsaustausch mit den Kantonen sicher. Dazu bezeichnen die Kantone dem Bundesamt eine Ansprechstelle für Integrationsfragen. Die Gemeinden werden in geeigneter Weise miteinbezogen. (Art. 14 der am 1. Februar 2006 in Kraft getretenen Revision der Integrationsverordnung VintA). Mit Art. 57 des Ausländergesetzes legte das Parlament diesen Koordinationsauftrag auch auf Gesetzesstufe fest.

Zweck des Integrationsberichts

Um diesen neuen Koordinationsauftrag wahrzunehmen bedurfte das EJPD bzw. das BFM zunächst einer Übersicht über alle integrationsrelevanten Bereiche, auch solche, welche ausserhalb der Zuständigkeit des Departements bzw. des Bundesamts liegen. Der Integrationsbericht, welcher aufgrund eines Auftrags von Bundesrat Christoph Blocher verfasst worden ist, sollte 

  1. den Soll-Zustand bzw. das Ziel der Integration definieren,
  2. den Ist-Zustand darlegen, indem er Fakten und Ursachen der Probleme, die wichtigsten bestehenden Massnahmen sowie die Risikogruppen bezeichnen,
  3. den Handlungsbedarf aus Sicht des BFM darlegen.

Der Bericht kommt zu folgenden Erkenntnissen:

  1. Der Soll-Zustand der Integration ist dann erreicht, wenn Ausländerinnen und Ausländer in der Schweiz in den verschiedenen Integrationsbereichen vergleichbare Kennzahlen aufweisen wie Schweizerinnen und Schweizer, welche sich in der gleichen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Situation befinden. Das Ziel von Integrationsmassnahmen ist daher die Herstellung von Chancengleichheit.
  2. Die Übersicht über den Ist-Zustand der wichtigsten Integrationsbereiche ergibt, dass der Zugang zu einer Erwerbstätigkeit die zentrale Bedingung für eine gelungene Integration ist. Diese schützt vor Sozialhilfeabhängigkeit und verringert Straffälligkeit. Aufgrund des Wandels des Arbeitsmarktes beruhen die Erwerbschancen heute insbesondere auf genügenden Bildungsmöglichkeiten. Es zeigt sich weiter, dass der Integrationserfolg in den Bereichen Bildung und Arbeit eng mit den Kenntnissen der lokalen Sprache und den gesellschaftlichen Kontakten im lokalen Umfeld verbunden ist.

Zur Verdeutlichung der Grössenordnungen einige Daten und Fakten aus dem Bericht:

Berufsbildung: Zwischen 15 bis 20% eines Jahrgangs ausländischer Jugendlicher bzw. rund 3'000 Personen absolvieren auf längere Sicht keine ordentliche berufliche Ausbildung und haben damit ein höheres Risiko arbeitslos und von der Sozialhilfe abhängig zu sein.

Arbeitsmarkt: Rund 80'000 ausländische Personen, darunter rund 25'000 Jugendliche sind erwerbslos. Die Erwerbslosenquote ist bei Ausländern im Jahre 2005 (8,9%) beinahe dreimal höher als bei Schweizern (3,3%). Besonders hoch ist Erwerbslosigkeit bei Jugendlichen aus den Balkanländern (18,8%) sowie aus den nicht-europäischen Staaten (29,2%).

Öffentliche Sicherheit: 2003 betrafen 48,9% der im Strafregister eingetragenen Strafurteile und 28,3% der bei den offiziellen Opferhilfestellen sich meldenden Personen ausländische Staatsangehörige (weitgehend Männer aus tieferen sozialen Schichten) anerkannte Flüchtlinge und vorläufig aufgenommene Personen: Rund 25'000 anerkannte Flüchtlinge und rund 23'000 vorläufig aufgenommene Ausländerinnen und Ausländer. Trotz Gleichstellung mit der einheimischen Bevölkerung in wichtigen Bereichen (Zugang zum Arbeitsmarkt, Familiennachzug, Sozialversicherungen), sind nur 20,5% der Flüchtlinge in Bundeszuständigkeit im erwerbsfähigen Alter zwischen 16 bis 65 Jahren erwerbstätig. Bei den vorläufig aufgenommenen Personen beträgt die Erwerbsquote 34%.

Der Bericht zieht folgende zwei Hauptfolgerungen:

  1. Die strukturelle Integration in den Bereichen Berufsbildung sowie Arbeitsmarkt ist in den bestehenden Institutionen, den Berufsschulen und Betrieben, zu stärken. Sonderstrukturen für Ausländer sind zu vermeiden.
  2. Die bestehenden Massnahmen der sozialen Integration in den Bereichen der Sprachförderung und des Zusammenlebens sind weiterzuführen, aber noch stärker auf die Risikogruppen auszurichten.

Wie weiter? - Folgemassnahmen des Integrationsberichts

Letzten Mittwoch, am 30. August 2006, hat der Bundesrat auf Antrag des EJPD den Integrationsbericht zur Kenntnis genommen und dabei über das weitere Vorgehen hinsichtlich der Umsetzung des Berichts entschieden. Der Beschluss des Bundesrates lautet wie folgt:

  1. Gestützt auf den Integrationsbericht sollen die zuständigen Departemente und Ämter bis am 31. März 2007 in ihren Zuständigkeitsbereichen ermitteln, wo integrationspolitischer Handlungsbedarf besteht und welche allfälligen Integrationsmassnahmen zu treffen sind.
  2. Das EJPD wird beauftragt im Rahmen der bestehenden Interdepartementalen Arbeitsgruppe für Migrationsfragen (IAM) diese Arbeiten zu koordinieren. Die Interdepartementale Arbeitsgruppe ist ein Koordinationsgefäss der Bundesstellen, welche von Fragen der Migration betroffen sind. Den Vorsitz führt der Direktor des Bundesamtes für Migration.
  3. Gestützt auf die aufeinander abgestimmten Massnahmenvorschläge der Departemente und Ämter soll das EJPD dem Bundesrat dann bis am 30. Juni 2007 Bericht erstatten und Vorschläge zur Umsetzung unterbreiten.

Dieser Bundesratsbeschluss stellt einen integrationspolitischen Meilenstein dar. Denn damit hat der Bundesrat erstmals einem gemeinsamen, departemtentsübergreifenden Vorgehen im Bereich der Integration den Weg gewiesen. Gewissermassen in Vorbereitung und Antizipation des neuen Ausländergesetzes ist dies ein erster Schritt in die Richtung einer übergreifenden und koordinierten Integrationspolitik. Die Interdepartementale Arbeitsgruppe wird in dieser Woche erstmals zusammentreten und auf der Grundlage des Bundesratsbeschlusses eine geeignete
Projektorganisation ins Leben rufen. Es ist unser Ziel, von Beginn weg alle wichtigen Akteure auf Behördenebene einzubeziehen. Dazu gehören insbesondere auch die Kantone.

Schluss

Meine Damen und Herren,
Der Vergleich mit anderen europäischen oder aussereuropäischen Ländern im Bereich der Integration ist sehr anregend. Doch lassen sich politische Rezepte, die in dem einen Land funktionieren, nicht eins zu eins auf ein anderes Land übertragen. Eine weitsichtige Integrationspolitik muss die Rahmenbedingungen der Schweiz berücksichtigen – ich habe darauf eingangs meiner Ausführungen hingewiesen. Die Entwicklung einer solchen Politik braucht Zeit. Heute stehen die Zeichen, im Integrationsbereich entscheidende Schritte weiter zu kommen, relativ gut. Die Erkenntnis, dass es eine staatliche Integrationspolitik braucht, hat sich hierzulande breit durchgesetzt – leider nicht zuletzt wohl aufgrund der Fernsehbilder brennender Autos in den französischen Banlieues oder Ausschreitungen in den Industriestädten Grossbritanniens.

Auch die politischen Instrumente für eine dynamische Entwicklung der Integrationspolitik liegen heute bereit:

  • Der Integrationsbericht gibt erstmals eine Gesamtsicht der Thematik.
  • Der Bundesratsbeschluss weist den Weg für eine bereichs- und departementsübergreifende Zusammenarbeit in der Integration.
  • Und schliesslich: stellt das neue Ausländergesetz die notwendige gesetzliche Grundlage bereit, um einer erfolgreichen Integrationspolitik in unserem Land den Weg zu ebnen.

Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

Letzte Änderung 04.09.2006

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