Medienmitteilungen, BJ, 09.03.2009
Entführte Kinder: Rückführungsanträge an das Ausland erneut angestiegen
Statistik 2008 der Schweizerischen Zentralbehörde
Schlagwörter: Kinder und Jugendliche | Entführung
Wie in vorangegangenen Jahren richtete das BJ auch 2008 wesentlich mehr Anträge auf Rückführung und auf Ausübung des Besuchsrechts ans Ausland als es vom Ausland erhielt. Im letzten Jahr übermittelte das BJ Gesuche namentlich an Deutschland (12), Italien (9), Frankreich (9), Portugal (7) und Grossbritannien (4). Anträge an die Schweiz kamen hauptsächlich aus Italien (5), Deutschland (4) und Frankreich (4).
Von Kindesentführungen und Besuchsrechtskonflikten betroffen waren insgesamt 142 Kinder; ihr Durchschnittsalter betrug 7 Jahre. Entführender Elternteil war auch im vergangenen Jahr häufiger die Mutter (73 % der Fälle). Bei der Verweigerung des Besuchsrechts war der Anteil der Mütter mit 86 % noch höher. Von den 2008 erledigten Fällen von Kindern, die von ihren Müttern in die Schweiz entführt worden waren, handelte es sich bei einem Drittel um Schweizerinnen, die nach einer gescheiterten Beziehung oder aus einem anderen Grund in ihre Heimat zurückkehrten; zwei Drittel waren Mütter anderer Nationalität.
Fälle fast ausschliesslich über das Haager Übereinkommen abgewickelt
Die Schweiz ist über das Haager Kindesentführungsübereinkommen und das Europäische Sorgerechtsübereinkommen mit 75 Staaten vertraglich verbunden. Die Rückführungs- und Besuchsanträge stützen sich fast ausschliesslich auf das Haager Kindesentführungsübereinkommen. Beide Übereinkommen verfolgen das gleiche Ziel: Sie wollen sicherstellen, dass Kinder vor den Nachteilen willkürlicher Entführungen geschützt und möglichst rasch an ihren gewöhnlichen Aufenthaltsort zurückgeführt werden und dass ihr Recht auf persönlichen Verkehr mit den Eltern geschützt wird. Dabei spielt die Nationalität des Kindes und der Eltern keine Rolle.
Rückführung nicht garantiert
Ein Grund für die markante Zunahme der Rückführungs- und Besuchsanträge an das Ausland, die sich in den letzten acht Jahren fast verdoppelt haben, dürfte im zunehmenden Bekanntheitsgrad des Haager Kindesentführungsübereinkommens liegen. Die Einreichung eines Rückführungsantrags garantiert an sich noch keine Rückführung. Ob das entführte Kind an seinen gewöhnlichen Aufenthaltsort zurückgeführt wird, hängt in hohem Mass von der Kompromissbereitschaft der Eltern sowie von der konsequenten und raschen Anwendung des Übereinkommens durch die zuständigen Behörden ab.
Zunehmende Beratertätigkeit
Zunehmend beansprucht ist das BJ auch durch die Beratung von Eltern sowie von Anwälten, Sozialdiensten, Polizeistellen und durch Kontakte mit Gerichtsbehörden. Die Beratungstätigkeit wirkt besonders in einem frühen Stadium von Konflikten präventiv und dürfte eine grössere Zunahme von Rückführungsanträgen verhindern. Von den im vergangenen Jahr durch die Zentralbehörde erledigten 20 Kindesentführungsfällen in die Schweiz konnten drei Viertel ohne Gerichtsverfahren beigelegt werden. Drei Mal ordneten die Schweizer Gerichte die Rückführung an, zwei Mal wiesen sie den Rückführungsantrag ab. In keinem einzigen Fall musste eine Kindesrückführung von der Schweiz ins Ausland zwangsweise vollstreckt werden.
Anträge der Schweiz ans Ausland:
| 2008 | 2007 | 2006 | 2005 | 2004 | 2003 | 2002 | 2001 |
Anträge auf Rückführung | 55 | 49 | 42 | 36 | 37 | 42 | 29 | 30 |
Anträge auf Ausübung des Besuchsrechts | 25 | 18 | 14 | 18 | 9 | 10 | 17 | 13 |
Total neue Fälle | 80 | 67 | 56 | 54 | 46 | 52 | 46 | 43 |
Anträge des Auslandes an die Schweiz:
| 2008 | 2007 | 2006 | 2005 | 2004 | 2003 | 2002 | 2001 |
Anträge auf Rückführung | 20 | 17 | 19 | 24 | 12 | 18 | 15 | 27 |
Anträge auf Ausübung des Besuchsrechts | 11 | 11 | 11 | 5 | 6 | 9 | 7 | 8 |
Total neue Fälle | 31 | 28 | 30 | 29 | 18 | 27 | 22 | 35 |
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nach oben Letzte Änderung 09.03.2009