Straftaten nach einheitlichen Regeln verfolgen und beurteilen - Bundesrat verabschiedet Botschaft zur Vereinheitlichung des Strafprozessrechts
Bern, 21.12.2005 - Um die Wirksamkeit der Strafverfolgung zu steigern und zugleich die Rechtsgleichheit und Rechtssicherheit zu erhöhen, will der Bundesrat das schweizerische Strafprozessrecht vereinheitlichen. Er hat heute die entsprechende Botschaft sowie zwei Gesetzesentwürfe verabschiedet.
Die beiden Entwürfe zu einer Schweizerischen Strafprozessordnung (StPO) und einer Schweizerischen Jugendstrafprozessordnung (JStPO) ersetzen die 26 kantonalen Strafprozessordnungen sowie den Bundesstrafprozess. Damit werden Straftaten in der Schweiz künftig nicht nur einheitlich im Strafgesetzbuch umschrieben, sondern auch nach den gleichen prozessualen Regeln verfolgt und beurteilt. Die Aufhebung der Rechtszersplitterung dient der Rechtsgleichheit und Rechtssicherheit und ermöglicht eine wirksamere Bekämpfung der Kriminalität. Ein einheitliches Prozessrecht stellt auch für die Anwälte einen Gewinn dar und erleichtert den interkantonalen Personaleinsatz der Strafbehörden sowie die internationale Zusammenarbeit.
Ausgewogene Lösungen
Die beiden Entwürfe knüpfen an bestehende Prozessordnungen an, soweit sich diese bewährt haben. Sie sehen aber auch neue Regelungen vor, die bisher nicht oder nur in einzelnen Kantonen bekannt waren. Dazu gehört der Ausbau des Opportunitätsprinzips, das es den Strafbehörden erlaubt, in bestimmten Fällen auf eine Strafverfolgung zu verzichten. Weiter sollen künftig eine Verständigung zwischen Täter und Opfer in Form des Vergleichs oder der Mediation sowie Absprachen zwischen beschuldigter Person und Staatsanwaltschaft über Schuld und Strafe möglich sein. Weitere Neuerungen sind die Stärkung der Verteidigungsrechte, der Ausbau gewisser Rechte des Opfers, die Erweiterung des Zeugenschutzes und die Überwachung von Bankbeziehungen als neue Zwangsmassnahme. Insgesamt stellen die beiden Entwürfe ausgewogene Lösungen dar, die einen gerechten Ausgleich zwischen den im Strafverfahren involvierten, gegensätzlichen Interessen ermöglichen wollen.
Starke Staatsanwaltschaft mit Gegengewichten
Die Gerichtsorganisation bleibt grundsätzlich wie bisher den Kantonen überlassen. Allerdings bedingt das einheitliche Prozessrecht insbesondere ein einheitliches Strafverfolgungsmodell. Charakteristisch für das künftige Staatsanwaltschaftsmodell ist das Fehlen eines Untersuchungsrichters. Die Staatsanwaltschaft leitet das Vorverfahren, führt die Untersuchung, erhebt die Anklage und vertritt diese vor den Gerichten. Durch die einheitliche Ermittlung, Untersuchung und Anklageerhebung wird ein hoher Grad an Effizienz in der Strafverfolgung erreicht.
Die starke Stellung der Staatsanwaltschaft wird namentlich durch ein Zwangsmassnahmengericht und ausgebaute Verteidigungsrechte ausgeglichen. Zudem ist als weiteres Gegengewicht der Grundsatz der Unmittelbarkeit vorgesehen: Das Gericht bildet sich seine Überzeugung grundsätzlich aufgrund eigener Anschauung in der Hauptverhandlung, kann sich aber in bestimmten Fällen auf die im Vorverfahren erhobenen Beweise abstützen (Mittelbarkeitsprinzip).
Eigenes Gesetz für das Jugendstrafverfahren
Das Jugendstrafverfahren wird in einem eigenen Gesetz geregelt, das die von der StPO abweichenden Regeln enthält. Auch im Bereich der Jugendstrafrechtspflege wird die Strafverfolgung in allen Verfahrensstadien einer spezialisierten richterlichen Behörde anvertraut. Der Jugendrichter ist in kleineren und mittelschweren Fällen auch urteilende Instanz und überwacht den Vollzug der Sanktion. In den seltenen schweren Fällen obliegt die gerichtliche Beurteilung dem Jugendgericht. Den Kantonen ist es frei gestellt, ob der Jugendrichter auch Mitglied des Jugendgerichts sein darf. Damit berücksichtigt der Entwurf die teilweise geäusserten Bedenken gegenüber der Doppelrolle als untersuchender und urteilender Richter.
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Letzte Änderung 26.06.2024